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Nach saisonübergreifend drei Siegen in Folge ist Meister #25 Larry ten Voorde (NLD/Team GP Elite) entthront: #20 Jaxon Evans (NZL/Martinet by Alméras) holte sich den Sieg bei der Rückrunde des Porsche Mobil 1 Supercup auf dem Red Bull Ring in Spielberg.
Der ehemalige Porsche Junior holte damit 364 Tage nach seinem Auftaktsieg 2020 an selbiger Stelle endlich wieder einen Sieg. Evans hatte bereits im Freien Training zu Runde 3 des Porsche Supercup mit der Bestzeit angekündigt, dass er beim #Gipfelsturm ein gewichtiges Wörtchen mitreden möchte. Diesen musste er am Sonntag aber von Startplatz zwei in Angriff nehmen, denn im Qualifying war er noch einem wiedererstarkten #3 Dylan Pereira (LUX/BWT Lechner Racing) unterlegen.
Das BWT Lechner Racing-Team hat sich nach bisher für die eigenen Ansprüche enttäuschenden Leistungen mit der neuen 992er-Generation des 510 PS starken Porsche 911 GT3 Cup in eine intensive Datenanalyse begeben und ist mit einem modifizierten Set-up zum zweiten Lauf auf dem Red Bull Ring angetreten. Die Maßnahme wirkte im Qualifying, als sowohl Pereira als auch #2 Ayhancan Güven (TUR/BWT Lechner Racing) dem bis dahin favorisierten Evans tüchtig einheizten. Evans mag am Freitag mehrfach Bestzeiten gefahren haben, doch Güven hing ihm am Samstag im Qualifyings dicht auf den Fersen. Auch Ten Voorde mischte zumindest auf dem ersten Reifensatz tüchtig mit.
Natürlich fand der endgültige Schlagabtausch auf dem zweiten Reifensatz statt, weil mit jeder Runde mehr Michelin-Reifenabrieb gelegt wurde. Ein Dreher von Gaststarter #911 Michael Fassbender (IRL/Porsche Motorsport) vier Minuten vor Schluss unterbrach die Zeitenjagd mittels gelber Flagge für kurze Zeit. Der Hollywood-Star konnte aber weiterfahren. Kurz darauf hatte #34 Moritz Sager (AUT/Dinamic Motorsport) einen signifikanten Einschlag in Kurve 1. Er flog mit einem Gegenpendler nach links ab. Für Sager war das bereits der zweite Vorfall des Wochenendes, nachdem er im Freien Training wie auch Güven und Ten Voorde einen harmlosen Dreher hatte. Der Einschlag am Samstag war heftiger. Sein Porsche 911 GT3 Cup erwies sich jedoch als so stabil, dass er aus eigener Kraft die Strecke für die verbliebenen drei Minuten des Qualifyings räumen konnte – und die hatten es in sich!
Die begeisterten Fans auf den Rängen sahen einen spektakulären Schlagabtausch zwischen Pereira und Evans. 1:31.043 von Pereira waren zwei Zehntelsekunden schneller als die vorigen Bestmarken von Evans und Ten Voorde. Doch Evans schlug sofort zurück und riss die Bestzeit in 1:31.029 Minuten an sich. Das letzte Wort hatte aber Pereira, der 1:30.911 Minuten hinlegte und mit der Pole sowohl sich selbst als auch BWT Lechner Racing einer zentnerschweren Last entledigte, die sich in den ersten beiden Rennen angesammelt hatte. Der pinkfarbene Porsche war endlich wieder dort, wo er nach Selbstverständlichkeit von Fahrer und Team hingehört: an der absoluten Spitze. Güven rundete das Resultat mit Startplatz drei ab, während Tabellenführer Ten Voorde mit P4 vorlieb nehmen musste.
Die Spitzenposition war am Sonntag für Pereira jedoch schnell wieder weg. Nach einem Startabbruch – #10 Daan van Kuijk (NLD/GP Elite) konnte wegen Elektronikproblemen das Rennen nicht aufnehmen – und einer zweiten Einführungsrunde kam der Luxemburger beim richtigen Start nicht optimal vom Fleck, als die fünf roten Lichter erstaunlich schnell erloschen. Güven tat sich von Startplatz drei ebenfalls schwer und beide Lechner-Piloten gerieten schon in der ersten Kurve in arge Bedrängnis. Pereira rutschte beim Versuch, den innen attackierenden Evans hinter ich zu halten, weit raus. Güven musste Ten Voorde ziehen lassen und wurde sofort durch #29 Laurin Heinrich (DEU/Nebulus Racing by Huber) beharkt.
Pereira verteidigte die Führung zunächst, doch in der Spitzkehre unterlief ihm ein monumentaler Verbremser, mit dem er weit in die Auslaufzone hineinrutschte. Wie durch ein Wunder verlor er lediglich zwei Positionen an Evans und Ten Voorde.
Doch wer dachte, Pereiras Michelin-Vorderreifen wären durch den Verbremser hinüber, wurde keine halbe Runde später eines Besseren belehrt, als der Luxemburger zu einem Überholmanöver ansetzte, das wohl in sämtlichen Saisonrückblicken am Ende des Jahres zu sehen sein wird: Er überrumpelte den bislang so dominanten Larry ten Voorde über die Außenbahn in der ersten der beiden Linkskurven im Mittelsektor! Ein sensationelles Überholmanöver, das ihm wenigstens wieder Rang zwei einbrachte. Güven konnte unterdessen den aufmüpfigen Rookie Heinrich mit Mühe hinter sich halten, musste aber wie Pereira konstatieren, netto eine Position verloren zu haben.
Dem wilden Treiben an der Spitze wurde ein vorläufiges Ende mittels Safety-Car bereitet. #17 Harry King (GBR/Parker Revs Motorsport), der wegen eines Rennens im Porsche Carrera Cup Großbritannien in der Vorwoche nicht angetreten war, wohl aber auf dem Red Bull Ring acht Wochen zuvor noch beide Rennen des Porsche Carrera Cup Benelux gewonnen hatte, verschätzte sich komplett beim Anbremsen von Kurve 4 und segelte ins Kiesbett. Hartes Brot für den Rookie im Porsche Mobil 1 Supercup, der nach einem überlegenen Titelgewinn im britischen Carrera Cup mit vielen Vorschusslorbeeren als potenzieller Favoritenschreck gehandelt worden war.
Der Restart ging an der Spitze deutlich geordneter vonstatten als der stehende Start. Lediglich Güven musste wieder einmal zwei Kurven lang gegen Heinrich verteidigen, dessen Respekt vor Porsche Junioren sich augenscheinlich in engeren Grenzen hält als die Track Limits in Kurve 9 des Red Bull Rings. Kaum hatte sich das Feld halbwegs einsortiert, kam schon wieder das Safety-Car auf die Strecke: Rookie #14 Lodovico Laurini (ITA/Dinamic Motorsport) hatte sich mit #24 Max van Splunteren (NLD/Team GP Elite) angelegt und war ausgangs Kurve 4 heftig eingeschlagen. Es war der zweite Blechschaden für Dinamic Motorsport nach dem Abflug von Moritz Sager im Qualifying. Auch für den lädierten Van Splunteren war wenige Runden später Schluss.
In Runde 7 von 17 erfolgte der endgültige Restart. Evans und Pereira konnten sich schnell von Ten Voorde lösen, dem ein wenig Pace fehlte. Pereira kam in Runde 9 noch einmal gefährlich nahe an Evans heran; es reichte jedoch nicht, um einen Angriff zu lancieren. Evans konnte sich zwar nie mehr als eine Sekunde lösen, lief aber nach angesprochener Szene auch nicht mehr in unmittelbare Gefahr, den Sieg zu verlieren. Der Lauf von Ten Voorde war endlich beendet, als der Neuseeländer mit 0,646 Sekunden Vorsprung auf Pereira die Zielflagge entgegennahm.
Der Kampf um Platz drei sollte sich als spannender erweisen. Larry ten Voorde fehlte es an Speed. Der Niederländer musste sich auf ein defensives Rennen einstellen, und genau das sollte es werden. Als Güven endlich alle Attacken des aufsässigen Laurin Heinrich abgewehrt hatte, begann er, Ten Voorde unter Druck zu setzen. Er zwang den Tabellenführer auf extreme Kampflinien, bei denen alle Möglichkeit der Strecke ausgenutzt wurden – in Bremszonen teils fernab der Ideallinie, um die Tür nicht einmal einen Spalt zu öffnen. In Runde 14 war es endlich soweit: Am Ausgang der Spitzkehre kreuzte Güven die Linie von Ten Voorde, setzte sich – teils mit zwei Rädern auf dem Rasen – neben ihn und presste sich in der anschließenden Rechtskurve vorbei. Jetzt hatte der niederländische Champion alle Hände voll zu tun, nicht auch noch Heinrich durchzulassen, der ebenfalls mit durchschlüpfen wollte. Es gelang dem Tabellenführer so gerade eben, den Platzverlust auf einen zu begrenzen.
Doch Güven konnte sich nicht lange freuen: Nur zwei Runden später fing sich der Porsche Junior einen Reifenschaden ein, der ihn aus dem Kampf um die Punkte warf. Schon zum zweiten Mal riss das Schicksal den talentierten Türken in aussichtsreicher Position aus dem Rennen. Beim Saisonauftakt in Monaco war er kurz vor Schluss auf der Start/Ziel-Geraden liegen geblieben. Ohne jegliche Chance auf Punkte brachte er das Rennen nach einem Boxenstopp auf Platz 26 als letzter in Wertung zu Ende – ein absolut unverdientes Ende nach einem packenden Rennen, in dem er über weite Strecken Protagonist war.
Ten Voorde übernahm damit wieder den letzten Podiumsplatz und fuhr diesen vor Heinrich nach Hause, der bis zuletzt dranblieb und neben Platz 4 den Sieg in der Rookie-Wertung einheimste. Mit #11 Florian Latorre (FRA/CLRT) kam ein weiterer Porsche innerhalb von einer Sekunde mit Ten Voorde über die Ziellinie. Der Franzose hatte beim zweiten Restart einen Zweikampf zwischen #19 Dorian Boccolacci (FRA/Martinet by Alméras) und #16 Simone Iaquinta (ITA/Dinamic Motorsport) sensationell zu seinen Gunsten ausgenutzt und sich beide in einem Three-Wide in einem Abwasch geschnappt. Er machte aus der Gruppe um Platz drei zwischenzeitlich einen Vierkampf, in den er aber nie aktiv eingreifen konnte. Nach dem ärgerlichen Ausfall eine Woche zuvor war der zweite fünfte Platz der Saison jedoch genau das richtige für den Piloten aus dem Team von Côme Ledogar.
Um Platz sechs tobte im Rennen der nächste spannende Kampf. Dorian Boccolacci, der bei den ersten beiden Rennen mit hervorragenden Leistungen auf sich aufmerksam gemacht hatte, musste sich diesmal im vorderen Mittelfeld behaupten. Beim ersten Restart fuhr er die Ellbogen aus und drängte in Kurve 4 #28 Leon Köhler (DEU/Nebulus Racing by Huber) von der Strecke. Nach der zweiten Safety-Car-Phase duellierte er sich mit Iaquinta. In der angesprochenen Situation, die Latorre zu seinem Vorteil nutzte, musste Iaquinta aufgeben, als #6 Christopher Zöchling (DEU/FACH AUTO TECH), ebenfalls versuchte, an ihm vorbeizukommen und die beiden Porsche 911 GT3 Cup sich berührten.
Zöchling ging aus dieser Situation ohne Blessuren hervor, während für Iaquinta das Rennen gelaufen war. Als Boccolacci in Runde 9 mehrere Positionen verlor – sein Rennwagen war nach T7 kurzfristig langsamer geworden – erbte Zöchling sogar P6. Um diesen ins Ziel zu bringen, musste er aber hart kämpfen. Er wurde nämlich heftig von #4 Tio Ellinas (CYP/Lechner Racing Middle East) bedrängt, der mehrmals attackierte, aber nie vorbeikam. Im Ziel waren beide durch gerade einmal 0,251 Sekunden voneinander getrennt. Jedoch wurde ihm der Lohn der Arbeit versagt: Als Verursacher der Kollision mit Iaquinta wurde Zöchling nachträglich mit einer 5-Sekunden-Zeitstrafe belegt, die ihn auf Platz 9 zurückwarf. Ellinas, Köhler und Simmenauer sprangen in der finalen Wertung je einen Platz nach oben.
Köhler hatte das Rennen mit nur 0,362 Sekunden Rückstand auf Ellinas beendet. Der erst 21-Jährige zeigte nach dem Vorfall mit Boccolacci beim ersten Restart eine spektakuläre Aufholjagd, in der er von Platz 21 bis auf Position acht nach vorne fuhr. Stellenweise machte er drei Plätze in einer Runde gut – eine Wahnsinnsvorstellung des jungen Deutschen. Das letzte Opfer seiner Aufholjagd hieß #1 Jean-Baptiste Simmenauer (FRA/BWT Lechner Racing), der den neunten bzw. final achten Platz belegte. Die Top 10 komplettierte Boccolacci, der nach dem Zweikampf mit Iaquinta kein optimales Auto mehr hatte. Zu allem Übel erhielt auch er nach Rennende eine 5-Sekunden-Strafe für seine Kollision mit Köhler und landete auf Platz 13. Ein willkommenes Comeback im Porsche Mobil 1 Supercup gab #31 Jukka Honkavuori (FIN/MRS GT-Racing), der als einer von fünf Gaststartern für ein volles Starterfeld von 32 Fahrzeugen sorgte. Mehr sind in einem Rennen auf dem Red Bull Ring gar nicht zugelassen. Der Finne bewies mit Rang elf im Rennen bzw. zehn in der finalen Wertung, dass er nichts verlernt hat. Zwischenzeitlich hielt er sich sogar in den Top 10 auf, bevor er noch Köhler und Boccolacci passieren lassen musste. #8 Fabio Scherer (SUI/FACH AUTO TECH), seinerseits Gaststarter beim #Gipfelsturm, wurde Zwölfter bzw. Elfter, gefolgt von dem strafversetzen Boccolacci, #26 Jesse van Kuijk (NLD/Team GP Elite), #9 Lucas Groeneveld (NLD/GP Elite) und #12 Steven Palette (FRA/CLRT).
Die ProAm-Wertung sah den dritten Sieger im dritten Rennen. Nach #21 Clément Mateu (FRA/Pierre Martinet by Alméras) in Monaco und dem amtierenden ProAm-Champion #27 Roar Lindland (NOR/Nebulus Racing by Huber) beim ersten Auftritt in Spielberg setzte sich diesmal #5 Nicolas Misslin (MCO/Lechner Racing Middle East) im Kampf der Gentlemen-Fahrer durch. Der Monegasse sah auf Position 17 die Zielflagge und hielt #22 Stéphane Denoual (FRA/Pierre Martinet by Alméras) um 3,171 Sekunden hinter sich.
Dieser führte ein enges Paket an, das in Sachen Dramatik den Kämpfen in den Top 10 der Gesamtwertung in nichts nachstand. Denoual setzte sich um 0,385 Sekunden gegen Lindland im Kampf um Platz zwei durch, dieser hatte wiederum lediglich 0,272 Sekunden Vorsprung auf #23 Aaron Mason (GBR/Pierre Martinet by Alméras), der denkbar knapp das Podium verpasste.
Es setzte sich im Rennen fort, was sich im Qualifying angedeutet hatte: Das Feld des Porsche Mobil 1 Supercup ist kompetitiv wie eh und je. Selten waren die Abstände so eng. Im freien Training blieben 21, im Qualifying sogar 22 Fahrer innerhalb einer Sekunde. In diesem Fall war Misslin als ProAm-Polesetter sogar innerhalb dieses Fensters mit 0,965 Sekunden Rückstand auf Pereira.
Klar, dass es die Gaststarter bei dieser Leistungsdichte schwer hatten. Hollywood-Star Michael Fassbender war da keine Ausnahme. Der aus Blockbustern wie "X-Men" oder "12 Years a Slave" bekannte deutsch-irische Schauspieler, der eigentlich in der European Le Mans Serie (ELMS) einen Porsche 911 RSR-19 pilotiert, hatte mit dem Porsche Mobil 1 Supercup noch eine Rechnung offen, die er in Spielberg erfolgreich beglich. Bei seinem vorigen Start 2020 auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya war er unschuldig in eine Startkarambolage verwickelt worden und nur eine Kurve weit gekommen. Auf dem Red Bull Ring lief es deutlich besser: Im Rennen kam er ohne Probleme durch und sah als 24. die Zielflagge. Dabei ließ er Pechvogel Güven und einen weiteren Gaststarter hinter sich – Mission erfüllt.
Damit ist im Porsche Mobil 1 Supercup 2021 eine grundsätzliche Frage beantwortet: Ja, Larry ten Voorde ist schlagbar. An einem Tag, an dem der Champion eigentlich nicht den Speed für das Podium hatte, konnte er seine Tabellenführung mit Platz drei dennoch verteidigen. Es sind meistens die Tage, an denen es nicht läuft, die über den Meisterschaftsausgang entscheiden. Und in dieser Hinsicht hat Ten Voorde perfekte Schadensbegrenzung betrieben.
Kann Evans nun ansetzen, dem Niederländer in der laufenden Meisterschaft gefährlich zu werden? Oder wird ihm seine in den vergangenen Jahren fehlende Konstanz wieder zum Verhängnis? Schlägt Ten Voorde wie ein Champion zurück? Und wann wird Güven sein Pech los? Eigentlich sollten diese Fragen unter dem Motto #RaceTheChapel in Silverstone am 18. Juli beantwortet werden. Doch aufgrund der aktuellen Situation um die Delta-Variante des Coronavirus SARS-CoV-2 wird der Porsche Mobil 1 Supercup das "Home of British Motorsport" in diesem Jahr auslassen. Nun wird es am 1. August 2021 #Huszárvágta – der Husarenritt – auf dem Hungaroring bei Budapest zeigen.