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Porsche-Pilot Laurens Vanthoor über die Ähnlichkeiten und Unterschiede von LMDh- und GT-Fahrzeugen
Egal ob du am Steuer eines Porsche 992 sitzt oder ob du ihn an dir vorbeifahren siehst, die Ähnlichkeit zum 911 GT3 R ist unverkennbar. Es gibt jedoch reichlich Unterschiede, und das, selbst bevor man sich eine Stufe darüber den 963 LMDh Prototypen ansieht. Der wirkt im Vergleich zu jedem Straßenauto wie ein Alien – auch wenn er auf dem 918 Spyder Hybrid basiert. Die Unterschiede beginnen bei der Optik und erstrecken sich über die Motorisierung, technische Ausstattung bis hin zur Fahrweise. Der GT3 R und 963 – beide konzipiert, um bei den größten Rennen der FIA Langstrecken-Weltmeisterschaft und der IMSA WeatherTech Sportwagen-Meisterschaft Siege einzufahren. Und trotzdem gibt es so viele Unterschiede zu entdecken. „Im Grunde handelt es sich um Autos mit einem Lenkrad, vier Reifen, einem Motor und zwei Pedalen“, scherzt Laurens Vanthoor. Durch seine ausgiebige Rennerfahrung mit beiden Modellen weiß er aber, dass viel mehr dahintersteckt. „Letztendlich geht es immer darum, sich anzupassen; diese Fähigkeit muss man als Porsche-Pilot verinnerlicht haben. Früher fuhren wir den RSR und den GT3 R, der Wechsel zum LMDh war eine ziemliche Umstellung. Aber ich sage immer: Ein guter Fahrer kann alles was schnell ist, mit der Zeit auch schnell fahren.“ Der 963 ist schneller, hat mehr Abtrieb, mehr Elektronik und eine Hybrid-Einheit, um der Belastung und den Ansprüchen von den 24h von Le Mans gerecht zu werden – wofür er eigens konzipiert worden ist.
Porsche 963 | Porsche 911 GT3 R |
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4,6-Liter V8 mit Turboaufladung | Wassergekühlter Sechszylinder, natürlich aspiriert |
671 PS | 565 PS |
7-Gang Renngetriebe | 6-Gang Renngetriebe |
1000 kg | 1250 kg |
WEC 2024 Katar Pole-Position Zeit : 1m39.347s | WEC 2024 Katar Qualifying Bestzeit : 1m55.611s |
Bewusst ist das Design der GT3-Kategorie nah an das der Serienwagen gehalten, sodass sie selbst für Nicht-Motorsport-Fans erkennbar bleiben. Weiter sind Modifizierungen eingeschränkt, um vor allem auch niedrigere Betriebskosten gegenüber höheren Klassen zu gewährleisten. Die Grundprinzipien dieser zwei Kategorien sind gegensätzlich, obwohl beide in denselben Meisterschaften konkurrieren.
Die auffälligsten Unterschiede zeigen sich dem Fahrer zunächst im Cockpit, dem Sichtfeld und der Sitzposition. Im GT3 sitzt man ähnlich wie in einem Straßenwagen aufrecht, mit den Schultern parallel zur Hüfte. Der 963 geht in die Richtung eines viel tieferliegenden Einsitzers, in dem die Beine fast wie auf einer Trainingsbank liegen und der Oberkörper weit nach hinten gelehnt ist. Die Sitzhaltung und die schmalere Windschutzscheibe verändern im 963 die Sicht auf die Strecke für den Fahrer zudem erheblich. Beim GT3 R wird die Steuerung durch die stark hervorstehenden Armaturen erleichtert.
Die GT3-Klasse beschränkt sich auf grundlegende Fahrassistenzsysteme wie ABS (Antiblockiersystem) und Traktionskontrolle. Beim 963 hingegen spielt die Technik in einer ganz anderen Liga. „Der 963 verfügt über viel Hightech, die im Zusammenspiel mit den verschiedenen Reifen-Typen abgestimmt werden kann“, erklärt Vanthoor. „Bei WEC-Rennen ist nicht nur ein effizientes Energiemanagement wichtig, sondern auch das der Reifen, da oft Doppelstints gefahren werden.“ „Die tatsächliche Renngeschwindigkeit ist entscheidend, doch die Komplexität des LMDh erfordert Verständnis und Steuerung zahlreicher technischer Details.“ „Deshalb fühlt es sich manchmal wie Urlaub an, wenn wir zum GT3 zurückkehren. Es ist nicht unbedingt einfacher, schnell zu fahren, aber es gibt deutlich weniger zu managen.“
Zum 963 fügt Vanthoor hinzu: „Er hat eine Fülle an Elektronik, die man bei Bremsvorgängen, dem Differenzial-Getriebe und der Traktionskontrolle anpassen muss.“ „Dazu kommt die Hybrid-Elektronik und auch die Stabilisatoren, die man individuell einstellen kann.“ „Das kann zu Beginn überwältigend sein. Das erste Rennen ist oft mit Informationen überladen. Aber es ist entscheidend, das zu seinem Vorteil zu nutzen.“ Grund für all diese Elektronik und die ständige Notwendigkeit, sie anzupassen, Runde für Runde, liegt darin, dass man lange Phasen in Langstreckenrennen ohne Reifenwechsel durchstehen muss. Teams und Fahrer bezeichnen diese als Doppelstints: Sie fahren in die Box, tanken und nehmen Änderungen vor, wechseln jedoch nicht die Reifen. Mit jeder Runde verlieren die Reifen an Grip, was das Handling des Autos beeinflusst. Auch der Streckenbelag kann sich im Rennverlauf verändern — wird die Ideallinie für ein Überholmanöver verlassen, kann es zur Rutschpartie werden. Fahrer müssen zudem den Energieverbrauch des Hybridsystems im Auge behalten und können nicht durchgehend auf höchster Leistung und Rekuperation fahren. Obwohl der 963 nachhaltigere Kraftstoffe verwendet, müssen Fahrer sparsam damit umgehen. So stellen sie sicher, dass sie durch zu häufiges Boxen keine Zeit verlieren. Aufgrund seiner begrenzten Fahrhilfen kämpfen Fahrer im Rennen ständig mit dem GT3, um den weniger durch Technik gezügelten Boliden zu beherrschen.
Der größte Unterschied zwischen beiden Porsche manifestiert sich im Renngeschehen. Der 963 ist deutlich schneller und holt früher oder später die GT-Klasse ein. Diese sind oft selbst schon in harte Positionskämpfe verwickelt und fahren dicht an dicht. Während einer Qualifikationsrunde kann der Fahrer den Boliden, perfekt abgestimmt, mit Höchstgeschwindigkeit auf der Ideallinie halten. Im Rennen selbst, mit oft abgenutzten Reifen, erfordert es eine kunstvolle Balance von Geduld und Risikobereitschaft, um durch die GT-Autos zu manövrieren. „Natürlich freut man sich über eine schnelle Runde, aber auf Zeit zu achten, ist im Kontext der WEC längst nicht alles. Es geht darum, die Reifen über Doppelstints zu managen, den Energieverbrauch zu regulieren und den Verkehr geschickt zu navigieren. Das alles ist mindestens genauso wichtig wie die Geschwindigkeit.“
Wir haben Laurens Vanthoor gefragt, mit welchem Wagen er es am aufregendsten findet, das Maximum während einer Qualifikationsrunde herauszuholen. „Ich denke, jeder Rennfahrer würde immer das schnellere Auto wählen“, erläutert er. „Das wäre also der LMDh. Aber ich fahre auch gerne den GT3 R. Jedes von ihnen hat seine eigenen Besonderheiten, die mir persönlich Spaß machen.“
Der GT3-Wagen verfügt im Vergleich zu einem Straßenwagen aerodynamische Modifikationen, aber sie zu testen kann kostspielig sein. Um den kostenbewussten Charakter der Kategorie zu wahren, können die Teams nicht zu viel in sie investieren. Das bedeutet, dass das Handling des GT3 R hauptsächlich von den Reifen und dem Fahrwerk – dem mechanischen Grip – abhängt. Die höhere aerodynamische Leistung des 963, gepaart mit seinem geringeren Gewicht, sorgt für mehr Grip. Unter den meisten Umständen ist er dadurch leichter zu fahren als der GT3. Beim 963 besteht die Herausforderung darin, alle oben genannten Komponenten zu koordinieren und gleichzeitig die Geschwindigkeit zu halten. Fahrer müssen die Elektronik kontrollieren, Überholmöglichkeiten und deren Risiken einschätzen, Reifen und Kraftstoffverbrauch effizient halten, während sie das Fahrzeug steuern und den Verkehr im Auge behalten. Die Kombination all dieser Faktoren macht den 963 zu einem schwierig zu beherrschenden Biest. Beide Modelle erfordern einen ruhigen, nicht zu aggressiven Fahrstil in den Kurven und auf Geraden. Dank der Teilnahme an einer Vielzahl von Meisterschaften und der Förderung zahlreicher Fahrer durch diese Serien besitzt Porsche einen Kader von äußerst anpassungsfähigen Fahrern. Diese können ohne allzu große Schwierigkeiten zwischen den beiden Autos wechseln.