Racing |
Lesezeit
8 Minute
Der letzte Saisonlauf war eine Achterbahn der Gefühle – und bot herausragendes Porsche Markenpokal-Racing. Die Tifosi hielt es am Ende nicht auf den Sitzen. Verständlich, bei derart engen Entscheidungen auf dem Asphalt. Monza hatte alles.
Im Vorfeld des Abschlußwochenendes wurde viel darüber spekuliert, ob je ein Rennen an die Spannung des Serienfinales 2023 heranreichen könnte. Mit der Zieldurchfahrt von Porsche Junior Alessandro Ghiretti (FRA) war klar: ja, es kann! Bei Außentemperaturen um die 40°C ging es heiß her im “Temple of Speed” von Monza. Durchweg alle Sessions des Porsche Mobil 1 Supercup im Rahmen des Formula 1 Gran Premio d’Italia waren hochklassig und ein Genuss für Motorsport-Fans. Die 32 Porsche 911 GT3 Cup entfachten Nervenkitzel pur, zumal noch zwei Meisterschaftsentscheidungen ausgefahren wurden. Der legendäre Circuit hatte zuvor übrigens ein paar Anpassungen erfahren: Kurven wurden leicht geändert und frischer Asphalt war aufgetragen worden, was Auswirkungen auf die Rundenzeiten hatte. Zudem sollten neue Kiesbänder den Fahrern das Einhalten der Track-Limits etwas leichter machen. Für die Teams waren diese Veränderungen eine Extra-Herausforderung, denn keines ging mit belastbaren Daten ins Rennwochenende.
Das Training bei tief stehender Sonne am Freitagabend begann zunächst konzentriert. Schließlich mussten sich die Fahrer an die neuen Limits der frischen Asphaltdecke erstmal herantasten. Die BWT Lechner Racing Fahrer Harry King (GBR) und Robert de Haan (NLD), beide Zweiten der Gesamt- bzw. Rookie-Wertung, führten lange das Feld an. Wenigstens ein Titel sollte für das erfolgreichste Team der Serie in 2024 drin sein. Nachdem Roar Lindland (NOR) kurz vor der Einfahrt zur Parabolica den Fontsplitter verlor, ging es für ihn in der Kurve geradeaus. Zum Glück bremste ihn das Kiesbett vor einem Einschlag in der Bande. Möglich, dass sich der Splitter beim Sprung über die Kerbs der Schikanen von Monza gelockert hatte. Es folgte die erste Rotphase. Mit einem Rest von 19:03 Trainingsminuten gingen alle Fahrer zurück auf die Strecke, auf der es zusehends enger zuging. Im Falle von Gastfahrer Giuseppe Guirreri (ITA) zu eng: Er bremste vor der Variante del Rettifilo zu spät und räumte seinen italienischen Team-Kollegen Simone Iaquinta unsanft ab. Das Training wurde daraufhin kurz vor dem regulären Ende abgebrochen, und den Mechanikern vom Gastteam Prima Ghinzani Motorsport stand eine lange Nachtschicht bevor. Ghiretti beendete die Session als Schnellster, vor King und Huub van Eijndhoven (NLD).
Das Qualifying am späten Samstagvormittag begleiteten zahlreiche, gut gelaunte Tifosi bei bestem Wetter. Die Akteure starteten mutig – mussten nach etwas mehr als acht Minuten aber zunächst wieder wegen einer Rotphase in die Box. Die beiden Italiener Aldo Festante und Francesco Braschi von Dinamic Motorsport hatten bei Abflügen in der 2° Variante so viel Kies auf die Strecke befördert, dass die Kehrmaschine raus musste. Grund für Festantes Ausritt war ein Platten, so dass er auf 3 Reifen zurück in die Box schlich. Mit 14:49 Minuten auf der Uhr kam das Feld zurück auf die Strecke – und es ging ereignisreich weiter. Jaap van Lagens (NLD) erste schnelle Runde endete mit einem leichten Einschlag in der Streckenbegrenzung der Parabolica Kurve. Wie so oft in dieser Saison wurde es gegen Sessionende dann hektisch. Im dichten Verkehr suchten alle eine Lücke für Bestzeiten. Rookie-Champion-Aspirant Kas Haverkort (NLD) fand sie und fuhr auf die Pole vor seinem Titelkonkurrenten De Haan. Nachträglich wurde bei ihm jedoch ein technischer Fehler am Rennwagen festgestellt, weshalb er von den Stewards ans Ende des Feldes versetzt wurde. Er musste auf ein Wunder hoffen, sollte es noch etwas mit dem Titel in der Rookie Wertung werden. Ähnlich erging es dem 2. in der Gesamtwertung, Harry King, den in den letzten Qualifying-Minuten erneut das Pech verfolgte: Durch eine Gelbphase konnte der Brite keine Top-Zeit mehr einfahren. Auslöser war Guirreri, dem ein geplatzter Vorderreifen den kompletten Kotflügel bei Top-Speed vor der Parabolica zerriß. Von P5 konnte King dem drei Plätze weiter vorne startenden Meisterschaftsführenden Larry ten Voorde (NLD) den Titel aus eigener Kraft nicht mehr entreißen. Pole Setter De Haan stellte mit 1:48.531 Minuten übrigens einen neuen Pole-Rekord für den Porsche Supercup in Monza auf.
Um kurz nach 12 Uhr startete das letzte Rennen der Saison vor vollen Rängen und bei hochsommerlicher Hitze. Schon beim Start fiel es schwer, als Fan einen kühlen Kopf zu bewahren, so wie die 32 Piloten in ihren Porsche Boliden zu Werke gingen. Ten Voorde erwischte den besten Start und zog direkt an De Haan vorbei, sein Mannschaftskollege Ghiretti folgte ihm im Diffusor. Was für eine kalte Dusche für den niederländischen Rookie, der bald darauf seinen britischen Team-Mate King hinter sich hatte. Im Feld gab es zahlreiche Kontakte, als sich die Rennwagen sortierten. Der zwischen den Rookies Ariel Levi (ISR) und Mathys Jaubert (FRA) fiel härter aus: Levi ging in den Kies, Jaubert holte sich einen neuen Hinterreifen an der Box und das Safety-Car kam zum ersten Mal auf die Strecke. Den Re-Start meisterte Ten Voorde souverän und zog in der Parabolica vorerst davon. Dahinter drehte sich Alexander Tauscher (DEU) in der Rettifilo Schikane – ursprünglich von P4 ins Rennen gegangen, wäre mehr für ihn drin gewesen. In Runde 6 übernahm Ghiretti die Spitze, dessen Auto einfach besser lief als das von Ten Voorde. Sein Vorsprung schrumpfte in der 2. Safety-Car-Phase allerdings wieder auf Null: Aldo Festante saß im Kies fest, der Kran musste helfen. Zu dem Zeitpunkt hatte sich Kas Haverkort bereits um 14 Plätze auf Rang 18 vorgearbeitet – der Kampf um die Rookie-Krone wurde langsam wieder spannend.
Nach dem Re-Start bekam Haverkort unerwartete Schützenhilfe: King quetschte sich im teaminternen Duell in der Rettifilo an De Haan vorbei, der daraufhin auch noch drei weitere Autos passieren lassen musste. Kurzfristig lag er sogar hinter Risto Vukov (MKD) auf Position 8. In der Konsequenz beschwerte sich der junge Niederländer bitter über den Boxenfunk. Plötzlich hatte er in der zu Beginn des Rennens eigentlich schon entschieden geglaubten Rookie-Wertung wieder das Nachsehen. Haverkort lag nach seinem Überholmarathon bereits in den Punkten und war mit einem 6-Punkte-Vorsprung ins Rennen gegangen. Allerdings unterlief ihm in der Rettifilo, wie vielen anderen Fahrern auch, ein Fahrfehler und er verlor wieder Plätze. Dramatik pur, die durch einen Ausritt von Simone Iaquinta in den Kies und dem darauffolgenden 3. Safety-Car-Einsatz nochmal gesteigert wurde.
Durch die lange Zeit hinter dem Safety-Car würde das Rennen vor den ursprünglich angesetzten 15 Runden enden. Derart unter Zeitdruck ging Haverkort nach der Rennfreigabe gleich wieder in die Offensive. Seine letzten Titel-Hoffnungen zerstoben jedoch wortwörtlich kurz darauf: Rookie Victor Bernier (FRA) schoss ihm, aus dem Notausgang der Roggia-Schikane kommend, in die Seite. Im Drift nahm Haverkort noch Sebastian Freymuth (DEU) mit von der Strecke. Beide Fahrzeuge wurden dabei erheblich beschädigt. Aufgrund der soliden Fahrgastzelle des Porsche 911 GT3 Cup konnten beide Fahrer unverletzt aussteigen.
Vorne fuhr währenddessen Ghiretti zu seinem ersten Sieg im Porsche Supercup und freute sich riesig. Auf dem Podium schmetterte er die französische Hymne auch für sein französisches Team. Das hatte mit dem 3. Overall-Champion-Titel von Larry ten Voorde, der auf der 2. Position vor Harry King ins Ziel gekommen war, noch mehr Grund zu feiern. Team-Principal Côme Ledogar stieg zum Niederländer auf das Autodach, sichtlich erleichtert, in seiner 5. Supercup-Saison endlich den Championtitel und die Teammeisterschaft geholt zu haben.
Sehr emotional fiel auch das F1-Interview mit Larry Ten Voorde aus, der vor laufender Kamera ankündigte, dass dies seine letzte Supercup-Saison gewesen war. Er wolle sich künftig auf die Ausbildung junger Fahrer-Talente in seiner Akademie konzentrieren – aber vielleicht überlegt er sich das über den Winter nochmal. In der Rookie-Wertung von Monza standen neben dem 1. Robert de Haan zur Freude der Tifosi Francesco Braschi als 2. und Lirim Zendeli (DEU) als 3. auf dem Podium. De Haan stellte zudem auch im Rennen mit 1:48.928 Minuten einen neuen Rundenrekord auf. Mit seinem Rookie-Champion-Titel nahm BWT Lechner Racing jetzt schon 13 Jahre in Folge einen Titel mit nach Österreich – was für eine Serie des Spitzenteams. Außerdem gewann der niederländische Rookie noch das Rookie Programm des Porsche Supercup und kann sich unter anderem über eine DMSB Permit Nordschleife (DPN), Klasse A freuen.
Den Vizetitel in der Meisterschaft nahm Harry King mit nach Großbritannien, Gesamt-Dritter wurde Marvin Klein (FRA). Kas Haverkort konnte sich nach dem verkorksten Finale wenigstens über den Vize-Titel in der Rookie-Wertung freuen, vor Mathy Jaubert auf dem 3. Rang. In der Team-Wertung verwies Schumacher CLRT schon in Zandvoort BWT Lechner Racing auf den 2. Platz, vor UNISERVER by TEAM GP ELITE.
Den traditionell im Anschluss an das Finale im Porsche Hospitality Zelt überreichten Preis des “Mechanic of the Year” sicherte sich Éric Piat vom französischen Team Martinet / Forestier Racing. Damit geht erneut eine Ausnahme-Saison des Porsche Mobil 1 Supercup zu Ende. Sie macht es jedem Motorsport-Fan leicht, Vorfreude für den Start der 2025er Ausgabe aufzubauen. Seien Sie wieder dabei!