Racing |
Lesezeit
7 Minute
Jede Saison im Porsche Supercup ist anders – und jede schreibt Renngeschichte. Protagonist der 31. Auflage der Serie ist definitiv Larry ten Voorde. Nach seinem Start-Ziel-Sieg in den Dünen von Zandvoort ist ihm der 3. Championtitel kaum noch zu nehmen.
Am vorletzten Rennwochenende des Porsche Mobil 1 Supercup zog ein Sturm über das Land – so, als wollte das Wetter den Sessions auf dem Circuit Zandvoort in nichts nachstehen. Durcheinandergewirbelt wurde auch die Entry List noch einmal am Anfang der Woche. Statt ursprünglich 29 gingen am Ende 28 Porsche Rennwagen auf Punktejagd in den Steilkurven, 10 davon mit niederländischen Fahrern am Steuer. Zwei von ihnen konnten hier theoretisch schon Champion werden: Rookie Kas Haverkort ging mit 10 Punkten Vorsprung in der Rookie-Wertung ins Wochenende. Und Larry ten Voorde brachte ein 7-Punkte-Polster in der Gesamtwertung auf seinen ärgsten Verfolger Harry King (GBR) mit. In der Teamwertung zeichnete sich die Vorentscheidung vor dem letzten Rennen in Monza bereits deutlich ab. Mit 48 Zählern Abstand zu BWT Lechner Racing war Schumacher CLRT der Titel fast schon sicher. Spannend war dennoch jede Minute am Rennwochenende, was auch die über 300.000 Fans an der Strecke so sahen. Aber schön der Reihe nach…
Zum Training am frühen Freitagnachmittag waren die Bedingungen ausgezeichnet, auch wenn der Nordseewind noch kräftig durch die Dünen blies. Im Versuch, die Limits der Strecke auszutesten, schossen einige Fahrer über eben jene hinaus. Speziell in der Tarzan-Kurve nach der Zielgeraden ging es häufiger in den Kies. Auch in der Hans-Ernst-Bocht, die wie ein Fragezeichen geformt ist, nahmen ein paar Porsche 911 GT3 Cup Steine mit auf die Strecke. Nur ein Rennfahrer bekam keine ordentliche Runde zustande: Ausgerechnet der Meisterschaftsführende Ten Voorde verbrachte wegen eines technischen Defekts lange Zeit in der Boxengasse. Die schnellste Zeit der Practice Session gelang Robert de Haan (NLD) vor seinem Landsmann Jaap van Lagen, der ein unvergessliches Rennwochenende erleben sollte.
Zum Qualifying am Samstag Mittag gingen die meisten der Fahrer zuerst mit Regenreifen auf den Kurs, der vom morgendlichen Dauerregen noch nass war. Die Ideallinie trocknete jedoch schnell ab, weshalb der erste Reifenwechsel auf Slicks sehr früh erfolgte. Larry ten Voordes Cup-Elfer hatte über Nacht einen neuen Motor erhalten. Der zweifache Supercup-Champion ging es – auch wegen der fehlenden Trainingszeit – daher anfangs noch vorsichtig an. Zandvoort kennt er jedoch wie seine Helmtasche. Am Ende der Session stand er denn auch auf der Pole. Der Weg dahin war für ihn und die anderen Fahrer im wahrsten Sinne des Wortes steinig: Nachdem Gastfahrer Jacques Groenewegen (NLD) aus dem Auslauf der Hans-Ernst-Bocht viel Kies auf den Asphalt befördert hatte, wurde die erste Rotphase des Qualifying für Kehrarbeiten ausgelöst. Kurz vor Sessionende folgte dann die 2. Rotphase. Porsche Junior Alessandro Ghiretti (FRA) hatte bei der Ausfahrt aus der Boxengasse die Bande touchiert und sein Fahrzeug kurz darauf am Streckenrand abstellen müssen. Beim Re-Start waren noch 3,16 Minuten auf der Uhr – gerade so viel Zeit, wie man für Outlap und eine letzte schnelle Runde brauchte. Dementsprechend voll ging es zu, Positionsverbesserungen gerieten zur Glückssache. Huub van Eijndhoven sicherte sich P2 hinter Ten Voorde, Supercup-Veteran van Lagen startete von P3 vor Marvin Klein (FRA). Bitter endete die Session für den Zweiten der Meisterschaft, Harry King: Im Verkehr der letzten Runde kam er nicht über einen 9. Startplatz hinaus. Im Rennen ging es für ihn nur um eines: überholen, was das Zeug hält, um die Titelchancen zu wahren.
Alle Augen der niederländischen Fans ruhten auf der Spitze, als die Ampeln beim Rennen am windigen Sonntag ausgingen. Ten Voorde erwischte einen Top-Start und zog davon. Anders erging es Huub van Eijndhoven, der in der Hugenholtzbocht von Jaap van Lagen kassiert wurde – was für ein brillantes Manöver des 47-jährigen Routiniers, der 2007 sein erstes Porsche Supercup Rennen fuhr. Auch dahinter wurde gleich attackiert: De Haan quetschte sich an Haverkort vorbei und King tauschte mit ausgefahrenen Ellenbogen die Position mit Mathys Jaubert. Der französische Rookie brachte dabei sein Fahrzeug mit einem sehenswerten Drift zurück auf die Strecke. Dieses Kunststück gelang im Mittelfeld Francesco Braschi (ITA) nicht: Er fuhr sich nach einer Berührung mit Ariel Levi (ISR) im Kies fest und löste die erste von zwei Safety-Car-Phasen aus.
Nachdem der ehemalige Porsche Supercup Teilnehmer und heutige Safety-Car-Fahrer Bernd Mayländer den Circuit verlassen hatte, übernahm wieder Ten Voorde die Führung. King nutzte den Re-Start und überholte Haverkort – nun trennten ihn nur noch vier Plätze von seinem Meisterschaftsrivalen. Vor ihm überraschte De Haan den auf 4 liegenden Klein mit einem Manöver auf der Innenbahn der Hugenholtz-Steilkurve. Der Franzose musste gleich noch King und Haverkort durchlassen – es war nicht sein Rennen. Beim Lauf zuvor in Spa-Francorchamps noch souveräner Sieger, fuhr er in Runde 15 in der Tarzan-Kurve geradeaus und stellte kurz darauf sein Fahrzeug ab. Damit konnte er seine Meisterschaftschancen endgültig begraben.
In der Tarzan-Kurve fand auch das Dauerduell der Niederländischen Gastfahrer Paul Meijer und Niels Troost sein jähes Ende – letzterer blieb nach einem Verbremser im Kies stecken und das Safety-Car kam zum zweiten Mal auf die Strecke. In Runde 13 wurde das Rennen wieder freigegeben. Auch diesmal behielt Ten Voorde die Nerven und eilte einem ungefährdeten Start-Ziel-Sieg entgegen. Hinter ihm sortierte sich das Feld, nur de Haan wollte es noch einmal wissen: Wiederum in der Tarzan-Kurve ritt er eine Attacke auf Van Eijndhoven, an dem er allerdings nicht ohne Berührung vorbeikam. Den 3. Platz musste er deshalb nach dem Rennen auf die Entscheidung der Stewards hin wieder an den Piloten des Teams UNISERVER by TEAM GP ELITE zurückgeben. Für King reichte die verbleibende Zeit nicht aus, um eine weitere Position auf Ten Voorde gutzumachen. Der freute sich im Ziel fast mehr über den 2. Platz seines Landsmannes Jaap van Lagen, als über seinen eigenen Sieg – beide feierten im Ziel Arm-in-Arm auf dem Autodach. Van Lagen selbst genoss sein erstes Supercup-Podium seit 2018 in vollen Zügen – und verglich sich im Boxenfunk nach der Zieldurchfahrt hocherfreut mit einem bekannten Formel-1-Veteranen.
Lauf 7 stand damit voll im Zeichen des Heimsieges. Insgesamt fünf Niederländer erklommen das Overall- und Rookie-Podium in Zandvoort. Nur der Franzose Jaubert auf P3 tanzte bei den Rookies aus der Oranje Feier-Reihe. Nach dem Ausscheiden von Klein kämpfen noch zwei Fahrer um den Champion-Titel – Larry ten Voorde und Harry King. Der Brite geht allerdings mit einem Rückstand von 20 Zählern in das letzte Rennen und ist in Monza auf die Mithilfe des Meisterschaftsführenden angewiesen, will er ihm noch die Krone entreißen. In der Rookie-Wertung trennen den Ersten Kas Haverkort und Robert de Haan auf Platz 2 nur sechs Punkte. Die Team-Meisterschaft wurde in Zandvoort bereits entschieden, allerdings erst nach dem Rennen: Durch die Strafe gegen De Haan verlor das zweitplatzierte Team BWT Lechner Racing maßgebliche Punkte auf Tabellenführer Schumacher CLRT und kann nicht mehr Meister werden. Die Feier wird aber sicher in Monza nachgeholt, da sich Côme Ledogar und sein Team zum Zeitpunkt der Entscheidung der Stewards bereits auf dem Weg nach Monza bzw. in die Heimat befanden.
Es ist also alles bereit für ein spannungsgeladenes Finale in Italien. Der “Temple of Speed” von Monza ruft. Und welche Strecke wäre besser geeignet für ein Ausrufungszeichen hinter einer Top-Markenpokal-Saison, als der geschichtsträchtige Autodromo Nazionale?! Hier hat im letzten Jahr das wohl neveraufreibendste Abschlussrennen des Porsche Supercup seit Jahren stattgefunden – to be continued!