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Hunderttausende Fans in Rennsport-Ekstase – trotz Starkregen und Pools von Abbey bis Club: so etwas gibt es nur in Silverstone. Das 2024er Halbzeitrennen der Saison war wetterbedingt das kürzeste der letzten Jahre, hatte es aber in sich.
Schon bevor das Rennwochenende des Porsche Mobil 1 Supercup in Silverstone startete, war klar: Der Meisterschaftsführende Larry ten Voorde (NLD) könnte hier Historisches vollbringen. Den Rekord von Michael Ammermüller mit 3 Siegen in Folge in den ersten 3 Läufen einer Saison hatte der Niederländer in Spielberg bereits eingestellt. Mit einem vierten Rennsieg würde er mit den Siegesserien der Supercup Legenden Frank Stippler (2003) und René Rast (2009 und 2011) gleichziehen. Er wäre dann allerdings der erste Fahrer in der Supercup Geschichte, der das in den ersten vier Läufen vollbringt. Damit würde am Horizont auch der ewige Wolf Henzler auftauchen, der seit seiner Supercup Saison 2004 mit 5 Siegen in Folge die absolute Spitze darstellt. Für Ten Voorde stand also einiges auf dem Spiel. Genau wie für Harry King (GBR), der zur Halbzeit der Saison endlich die Vormachtstellung Ten Voordes durchbrechen wollte. Und das, obwohl Silverstone nicht unbedingt eine Bank für britische Supercup Fahrer darstellt. Kelvin Burt, Sean Edwards und Nick Tandy waren die einzigen Briten, die es in den 29 Jahren Supercup@Silverstone ganz oben auf das Podium schafften.
Zum Training am Freitag gingen alle 29 gemeldeten Starter auf die Strecke, davon 8 Briten – mehrheitlich von den britischen Gastteams JTR und Century Motorsport. Proton Huber Competition hatte mit Joshua Stanton und Martinet / Forestier Racing mit Michael Crees ebenfalls britische Fahrer aufgeboten. Und als ob man sich abgesprochen hätte, wirklich alles “typisch Englisch” ablaufen zu lassen in Silverstone, ergoss sich pünktlich zum Beginn der Session erstmal ein Schauer über Fans und Strecke. An das Knacken von Top-Zeiten war nicht mehr zu denken. Dafür wurden Slicks gespart und Regenreifen heruntergefahren. Robert de Haan (NLD) konnte das besonders gut und stellte die Trainingsbestzeit auf. Speziell gefordert waren die deutschen Piloten: Während des Trainings spielte ihre Nationalmannschaft das EM-Viertelfinale – Mitfiebern ging nur durch den Boxenfunk.
Das Qualifying am Samstagmittag verlief hektisch. Verantwortlich war auch hier das launische Wetter und damit verbunden die Frage nach den richtigen Reifen: Als Bademeister mit Regenreifen sicher auf nassem Asphalt unterwegs, oder als Haubentaucher auf Slicks ab in den Kies? Dazu muss man wissen, dass in Silverstone knapp 5,9 Kilometer bzw. über 2 Minuten für einen Umlauf vergehen – folglich lassen 30 Minuten Qualifying vergleichsweise wenig Zeit für gezeitete Runden und Reifenpoker. Am Ende trocknete die Strecke ab und die CLRT Fahrer lieferten mit einer speziellen Strategie ab: Im Zug aus drei Fahrzeugen profitieren sie von der wechselnden Führungsarbeit und Windschatten. Im Ergebnis besetzte das Team in der Reihenfolge Ten Voorde /Klein/Ghiretti die ersten drei Startplätze – beste Voraussetzungen für den nächsten Rennsieg.
Start hinter dem Safety Car, rote Flagge, Regenpause – der Rennbeginn in Silverstone war holprig. Die extrem nasse Strecke trocknete glücklicherweise etwas ab und das Rennen wurde für die 12 verbliebenen Runden aus der Box hinter dem Safety Car fortgesetzt. Ab Runde 3 konnte das Feld frei fahren. Nach sieben Rennrunden war dann auch schon wieder Schluss bzw. das Safety Car musste erneut raus – es kam keine schnelle Runde mehr zustande. Viel Zeit war also nicht, um Larry ten Voorde an der Spitze zu attackieren und er brachte P1 sicher vom Start ins Ziel. Mit seinem vierten Sieg in Folge ist er endgültig in den Elite-Club der Porsche Supercup Fahrer aufgestiegen. Schumacher CLRT konnte seine Vormachtstellung in der laufenden Saison zementieren.
In den sieben “scharfen” Rennrunden boten die Porsche Rennfahrer dem Publikum trotz des erwartbaren Ausgangs dennoch sehenswertes Racing. Hinter den drei CLRT-Porsche gingen die zwei BWT Lechner Racing Piloten King und de Haan gleich in die Offensive. Alessandro Ghiretti konnten die beiden zwar relativ schnell kassieren, aber Marvin Klein (FRA) und Ten Voorde hatten sich schon leicht abgesetzt. Der große Upset – wenn man das aus Sicht der im Regen ausharrenden britischen Motorsportfans so sagen darf – war dann das teaminterne Duell um P3 zwischen den pinken BWT-Porsche: de Haans Auto war einfach schneller und er überholte King. Wieder kein Engländer auf dem Podium von Silverstone.
Tollen Rennsport zeigte auch Keagan Masters (ZAF), der nach Eigenaussage Fan von Regenrennen ist und sich dementsprechend smooth den vor ihm liegenden Kas Haverkort (NLD) auf nasser Fahrbahn zurechtlegte. In Runde 7 ging er dann nach einem Verbremser des niederländischen Rookies in der Vale-Kurve vorbei. Das Manöver konnte man on-board direkt aus dem Masters-Cockpit heraus verfolgen. Typisch für das Regenrennen waren Dreher und Ausritte neben die Strecke oder in die Kiesbetten. Huub van Eijndhoven (NLD) fuhr dabei in Runde 9 sein Auto fest und löste so die letzte Safety-Car-Phase des Rennens aus.
Nach Lauf 4 in Silverstone ist Ten Voorde mit einem fast schon nicht mehr einzuholenden 26-Punkte-Polster im Gesamtklassement das Maß der Dinge. Sein engster Verfolger, Harry King, muss sich seinerseits jetzt mit der Verteidigung von P2 im Gesamtklassement gegen Klein auseinandersetzen. Keagan Masters hat die Top 3 noch in Sichtweite – und dahinter steht mit Robert de Haan der erste Rookie. Apropos Rookies: mit de Haan stand zum zweiten Mal in Folge ein Rookie auf dem Overall- UND Rookie-Podium von Silverstone – 2023 hatte das Kunststück auch Ghiretti vollbracht. Kas Haverkort sicherte sich den 2. Rookie-Podiumsplatz und behält damit die Führung in der Rookie-Wertung. Lirim Zendeli holte Rookie-Podiumsplatz 3 – es war sein erstes Mal auf einem Porsche Supercup Treppchen. Sieben der 12 Rookies landeten im Regen von Silverstone unter den ersten 15 – ein guter Schnitt für den Nachwuchs.
Cheerio England, good-bye Regenschirme – her mit der Sonnencreme: Für das kommende Rennen im “Glutofen Hungaroring” rechnen wir mit deutlich weniger Wasser auf der Strecke, dafür aber mit maximalem Stresstest für Reifen und Motorkühlung der Porsche 911 GT3 Cup. Lauf 5 in Ungarn wird feurig wie scharfe Paprika – unbedingt wieder dabei sein!