Rookie Laurin Heinrich holt sich seinen ersten Sieg im Porsche Mobil 1 Supercup bei einer Dominanz von Nebulus Racing by Huber. Larry ten Voorde kann den niederländischen Fans keinen Heimsieg bescheren, baut seine Tabellenführung aber dennoch aus.
Für jeden im Fahrerlager war es nur eine Frage der Zeit, jetzt ist es geschehen: Rookie #29 Laurin Heinrich (DEU/Nebulus Racing by Huber) hat bei der Premiere des Porsche Mobil 1 Supercup im niederländischen Zandvoort seinen ersten Sieg im beliebten internationalen Markenpokal eingefahren. Der erst 19-jährige, von SSR Performance geförderte Nachwuchspilot gilt schon seit längerer Zeit als eines der größten Talente in der Porsche-Szene. Nun reflektieren auch die Ergebnislisten seine Klasse.
Heinrich machte das Beste aus hervorragenden Vorzeichen. Nebulus Racing by Huber hat für die Steilkurven – womöglich dank der Erfahrung aus dem Porsche Carrera Cup Deutschland, der im Juli in Zandvoort gastiert hatte – einen Kniff beim Setup des 510 PS starken, mit Esso Renewable Racing Fuel betriebenen Porsche 911 GT3 Cup gefunden. Aus der Box heraus im Freien Training waren die Boliden aus dem Team von Christoph Huber die Schnellsten auf dem frisch renovierten Traditionskurs. Pole, Sieg und schnellste Runde – Heinrich gelang sein erster Triumph gleich mit dem berühmten "Grand Slam".
Traumduell der beiden Junioren.
Und das sogar mit Sternchen, denn auch im Freien Training am Freitag tauchte sein Name ganz oben in der Ergebnisliste auf. Das jedoch mit einer Kuriosität: Tatsächlich brachten Heinrich und sein Teamkollege #28 Leon Köhler (DEU/Nebulus Racing by Huber) das Kunststück fertig, im Freien Training auf die Tausendstelsekunde dieselbe Zeit zu fahren – ex aequo im Porsche Supercup! Da Heinrich die Zeit kurz vor Köhler markierte, wurde er als Schnellster im Klassement geführt.
Zwar war die spätestens seit Spa wieder in alter Stärke auftretende Konkurrenz aus dem Lechner-Rennstall mit ihren beiden Stars #3 Dylan Pereira (LUX/BWT Lechner Racing) und Porsche Junior #2 Ayhancan Güven (TUR/BWT Lechner Racing) am Freitag noch dicht dran, doch Heinrichs schärfster Rivale sollte das ganze Wochenende über aus dem eigenen Rennstall kommen.
So ging es ins Qualifying, in welchem dem Rookie ein Coup gelang. Er markierte in 1:36.387 Minuten schon nach sechs Minuten eine Zeit, die niemand im Laufe der Session mehr schlagen sollte. Grund dafür sind die in Zandvoort noch klassischen Auslaufzonen mit Kiesbett und Wiese. Da die Piloten des Porsche Mobil 1 Supercup im Qualifying aufgrund der enormen Leistungsdichte bis ans Limit und darüber hinausgehen müssen, wurde immer neuer Staub und Kies auf die Piste gebracht.
Das sorgte dafür, dass Verbesserungen gegen Ende immer schwieriger wurden. Köhler hatte für den ersten Versuch noch keine perfekte Abstimmung gefunden. Er ließ das Setup seines Fahrzeugs während des Qualifyings verändern und fuhr noch bärenstark auf Startplatz zwei – gefolgt von Güven, dem überraschend schnellen #16 Simone Iaquinta (ITA/Dinamic Motorsport), Tabellenführer #25 Larry ten Voorde (NLD/Team GP Elite) und einem sicherlich enttäuschten Pereira auf Rang sechs.
Heinrich unter Druck eiskalt.
Heinrich wusste, dass er die halbe Miete damit schon eingefahren hatte. Denn so sehr der niederländische Dünenkurs eine traumhafte fahrerische Herausforderung darstellt, so schwierig ist das Überholen. Somit kam den Start entscheidende Bedeutung zu. Heinrich bewies Nervenstärke und gewann den Spurt in die Tarzanbocht deutlich. Nun galt es nur noch, keine Fehler mehr zu machen. Keine einfache Aufgabe auf dem anspruchsvollen Kurs mit einem Heißsporn wie Köhler im Nacken.
Das Huber-Duo setzte sich an der Spitze vom riesigen Feld mit 32 Fahrzeugen ab. Köhler ließ nicht locker, nie war der Abstand größer als eine Sekunde. Womöglich hätte Köhler sogar etwas schneller gekonnt als Heinrich, doch der Rookie leistete sich nicht den kleinsten Fehler und fuhr den Sieg auf beeindruckende Weise ein. Köhler erhöhte in der Schlussphase noch einmal den Druck, doch Heinrich hielt diesem Stand. Eine Abgezocktheit, die er sich im Simracing antrainiert und im Porsche Carrera Cup Deutschland schon zu einem Sieg in Oschersleben genutzt hat. Beim vorläufigen Höhepunkt seiner Karriere stellte er sie erneut unter Beweis.
Güven verliert das Podium am Start.
Dahinter verlor Güven seinen dritten Platz schon in der Beschleunigungsphase beim Start. Iaquinta kam deutlich besser weg und war schon vor der Tarzanbocht vorbei. Auch Ten Voorde wollte die Gelegenheit nutzen, um sich den Porsche Junior zu schnappen, doch der Schuss ging nach hinten los.
Güven blockte die Attacken des amtierenden Meisters und Tabellenführers ab. In der spektakulären Steilkurve Hugenholtzbocht eröffnete dies Pereira eine Chance, die er nutzte: Er überholte Ten Voorde nun schon zum zweiten Mal in dieser Saison auf der Außenbahn! Die Fans fühlten sich sofort ins zweite Rennen in Spielberg zurückversetzt, als dem Luxemburger dieses Kunststück schon einmal gelungen war. Demütigung beim Heimspiel!
Es folgte eine Pärchenbildung: Güven mühte sich an Iaquinta ab, während Pereira unter Druck von Ten Voorde geriet und den Anschluss verlor. Für Iaquinta, der sich erst im Juli bei einem Unfall in Imola Frakturen an drei Wirbeln zugezogen hatte, ging es um seinen ersten Podiumsplatz im Porsche Mobil 1 Supercup.
Der zweimalige Meister des Porsche Carrera Cup Italia wurde vom Porsche Junior heftig unter Druck gesetzt, doch wie Heinrich an der Spitze behielt er die Nerven und bescherte Italien den ersten Podiumsplatz in der Serie seit dem heutigen GT3-Werksfahrer Mattia Drudi 2018 in Monza. Güven musste als Vierter den Preis für seinen schwachen Start bezahlen.
Ten Voorde: Titel wichtiger als Heimsieg.
Ten Voorde hingegen stellte unter Beweis, dass man auf dem Dünenkurs in der Provinz Nordholland sehr wohl überholen kann. Er trickste eingangs der vierten Runde Pereira über einen kompletten Sektor aus, beginnend in der Tarzanbocht. Der Kampf der beiden Titelrivalen aus dem Vorjahr zog sich über drei Kurven und entschied sich erst vor der Rob-Slotemakerbocht zugunsten Ten Voordes.
Ein ganz starkes Manöver des Niederländers bei seinem Heimrennen und eine sofortige Revision der Demütigung aus der ersten Runde. Mehr sollte er den zahlreichen heimischen Fans nicht mehr bieten können, obschon er noch auf Iaquinta und Güven auflief. Er musste aber an das große Ganze denken. Denn mit Platz fünf ging er wieder als Matchwinner aus dem Rennen.
Das lag daran, dass sein schärfster Rivale im Titelkampf, #20 Jaxon Evans (NZL/Martinet by Alméras), das ganze Wochenende über nicht in Gang kam. Nach zweimal Platz neun in Training und Qualifying lief das Rennen ebenfalls nicht nach Plan. Zunächst musste er in der Startrunde seinen neunten Platz gegen einen nachdrückenden #6 Christopher Zöchling (DEU/FACH AUTO TECH) verteidigen. Erst dann konnte er an einen Angriff nach vorne denken.
Es lag auf der Hand, dass in Zandvoort nach einem so schwachen Qualifying nur Schadensbegrenzung möglich war. Doch auch das ging daneben: Zwar gelang es dem Neuseeländer, im Kampf um Position acht zunächst an seinem Teamkollegen und Rookie #19 Dorian Boccolacci (FRA/Martinet by Alméras) vorbeizuziehen, doch schon eine Kurve später verbremste er sich und rutschte ins Kiesbett. Das warf ihn auf Platz elf zurück, aus dem aufgrund eines unglücklichen Reifenschadens bei Zöchling drei Runden vor Schluss noch Position zehn wurde. Damit liegt Ten Voorde in der Meisterschaft schon mit 25 Punkte Abstand vorne.
Vier Fahrzeuge kamen zwischen dem Niederländer und Evans ins Ziel: Pereira wurde an Ten Voordes Teamkollegen #24 Max van Splunteren (NLD/Team GP Elite) weitergereicht. Der eigentliche Defensivkünstler versuchte sich diesmal in der Offensive. Pereira konnte P6 vor van Splunteren verteidigen. Rang acht holte sich mit Gaststarter #14 Jaap van Lagen (NLD/Dinamic Motorsport) ein alter Bekannter im Porsche Mobil 1 Supercup. Der "Snelle Japie" zeigte, dass er nichts verlernt hat. Er trickste Boccolacci im Zweikampf im Audi-S aus und zog vor der Kumhobocht vorbei – ein traumhaftes Manöver des niederländischen Routiniers. Boccolacci verlor mit Platz neun erneut wichtigen Boden im Kampf um den Rookie-Titel gegen Heinrich.
Misslin marschiert unaufhaltsam zum ProAm-Titel.
So traumhaft der Tag für Huber Motorsport in der Gesamtwertung war, so düster verlief er in der ProAm-Wertung. Der amtierende ProAm-Champion #27 Roar Lindland (NOR/Nebulus Racing by Huber) konnte sich auch in Zandvoort nicht mit der neuen Generation des Porsche 911 GT3 Cup anfreunden. Im Qualifying auf einem für seine Verhältnisse schwachen vierten Platz unter den ProAms gelandet, durchkreuzte eine Kollision sein Rennen in der Schlussphase, die ihn ausscheiden ließ.
Auslöser war #22 Stéphane Denoual (FRA/Pierre Martinet by Alméras), der sich auf Platz zwei liegend im Audi-S drehte und von Lindland torpediert wurde. Lindlands Bolide überstand den Aufprall nicht und der Norweger musste aufgeben. Damit wird die Mission Titelverteidigung für den 44-Jährigen nun sehr schwer.
Denn erneut fuhr #5 Nicolas Misslin (MCO/Lechner Racing Middle East) überlegen zum vierten Sieg in Folge in der ProAm-Wertung. Der Franzose mit monegassischer Lizenz machte dem nicht einmal halb so jungen Laurin Heinrich beinahe alles nach: Erster in Training, Qualifying und Rennen bei den Gentlemen der Serie.
Nur bei der schnellsten Runde musste er sich hauchdünn dem am Ende Zweitplatzierten #23 Aaron Mason (GBR/Pierre Martinet by Alméras) beugen. Dennoch ist ihm der ProAm-Titel jetzt kaum mehr zu nehmen. Mason bekam in der Schlussphase den zweiten Platz von Denoual geschenkt. Dritter wurde #21 Clément Mateu (FRA/Pierre Martinet by Alméras), denn auch der vor ihm liegende #15 Philipp Sager (AUT/Dinamic Motorsport) wurde durch den Last-Minute-Crash von Denoual und Lindland unglücklich aufgehalten.
Finale im Doppelpack.
Es gibt kaum Zeit, die Ereignisse aus Zandvoort zu verarbeiten. Denn der Porsche Mobil 1 Supercup zieht mit der Formel 1 nun weiter in Richtung Monza. Dort werden gleich zwei Rennen ausgefahren – der Lauf aus Silverstone wird hier nachgeholt. Schon am Samstag, den 11. September startet Teil 1 des großen Finale auf der legendären Hochgeschwindigkeitsstrecke. Am Sonntag steht das Finalrennen auf dem Programm, an dessen Ende es heißen wird: #VivaIlCampione!
Die Chance ist groß, dass jener Champion erneut Larry ten Voorde heißen wird. Doch noch ist die Saison nicht vorbei – es sind noch 50 Punkte zu vergeben. Übersteht der Bolide des Holländers in Monza den ersten Renntag nicht, kann es auch passieren, dass er zum Sonntag nicht fertig wird. Deshalb ist noch alles offen. Freuen wir uns auf spektakuläre Windschattenschlachten im Doppelpack, wenn der Porsche Mobil 1 Supercup den Königlichen Park zum Beben bringt!